Film | HAVE A NICE DAY
HAVE A NICE DAY
Regie: Liu Jian
Eine Million Yuan sind eine Menge Geld, Xiao will davon seiner Freundin eine Schönheits-OP zahlen. Als er die Tasche voller Scheine klaut, setzt Mafiaboss Onkel Liu seinen besten Killer “Bohnenstange” auf Xiao an. Doch auf der irrwitzigen Odyssee durch eine chinesische Provinzstadt werden es immer mehr gierige Hände, die dem Geld hinterher jagen. Philosophierende Gangster, in die Jahre gekommenen Auftragsmörder, vom Überlebenskampf ermüdete Männer und Frauen: wer immer die Tasche gerade in der Hand hat, setzt alles daran, sie in Sicherheit zu bringen. Bis die Jagd ein absurdes und blutiges Ende findet – über das Mao Zedong von den Banknoten herab nur milde lächeln kann…
HAVE A NICE DAY ist eine schwarze Komödie, deren abgründiger und lakonischer Humor wie ein Vergrößerungsglas für Lebensgefühle und gesellschaftliche Zustände im heutigen China wirkt. Die zeitlose Gier des Menschen und die Gegenwart eines zutiefst verunsicherten Landes im Wandel treffen aufeinander. Liu Jian hat diesen Film mit seinen realistischen Tableaus und originellen Charakteren fast im Alleingang in seinem Animationsstudio realisiert, eine Förderung durch die chinesischen Kulturbehörden war undenkbar. Wie heikel der Inhalt ist, zeigte sich bei der internationalen Premiere: das weltweit wichtigste Animationsfilmfestival in Annecy lehnte den Film auf Druck der chinesischen Regierung ab, erst die Berlinale zeigte Rückgrat und nahm HAVE A NICE DAY als Wettbewerbsbeitrag ins Programm auf.
ÜBER DEN FILMEMACHER
Liu Jian, geboren 1969, studierte Chinesische Malerei und machte 1993 seinen Abschluss am Nanjing Art Institute. Seitdem schuf er diverse Arbeiten, die der Modernen Kunst zuzurechnen sind und
in einigen der wichtigsten Ausstellungen in China und international gezeigt wurden. Er ist einer der herausragenden Künstler der Kunstbewegung der „Gaudy Art“, die seit den 1990er Jahren traditionelle chinesische Kunst mit dem Konsumerismus des modernen China kreuzt, und der chinesischen konzeptuellen Fotografie. Er begann 1995 mit der Arbeit an animierten Filmen und gründete 2007 das Le-joy Animationsstudio. Sein erster animierter Langfilm PIERCING 1 wurde auf zahlreichen internationalen Festivals gezeigt, u. a. Holland Animation FF, Annecy International Animation FF und Hong Kong Animation FF. Der Film wurde außerdem als bester Animationsfilm bei den 4th Asia Pacific Screen Awards ausgezeichnet. Liu Jian unterrichtet auch Animationsfilm an der China Academy Of Art.
Ein Gespräch mit Regisseur Liu Jian
Können Sie den kreativen Prozess beschreiben, der zu HAVE A NICE DAY führte? Wie unterschied dieser sich von PIERCING 1, den Sie im Alleingang auf einem Tablet gezeichnet und animiert haben?
Insgesamt war der Prozess, HAVE A NICE DAY zu konzipieren, zu zeichnen und zu animieren nicht viel anders wie die Art, in der ich an PIERCING 1 gearbeitet habe. Ich habe die meiste Arbeit selbst gemacht. Zugleich haben die unterschiedlichen Themen und Geschichten der beiden Filme dazu geführt, andere künstlerische Ideen und bestimmte Formen des visuellen Ausdrucks zu
benutzen. So bekamen die beiden Filme ihr jeweils ganz eigenes visuelles Universum. PIERCING 1 zieht eher Einflüsse aus dem Realismus und konzentriert sich darauf, die Welt und die Gesellschaft in der wir leben wiederzugeben. HAVE A NICE DAY hingegen blickt eher auf das Absurde, benutzt fantastische Elemente und magischen Realismus, oder auch den Surrealismus der Geschichte, die ich
erzähle. In punkto Produktion ist HAVE A NICE DAY definitiv viel aufwendiger. Zusätzlich versuchte ich, für diesen Film mit einer neuen Struktur und anderen Erzählweisen zu arbeiten, zum Beispiel gibt es mehr „blank shots“ in diesem Film. Ich versuche immer, neue und frische Elemente in meine Filme zu übernehmen und mit jedem neuen Ansatz ziele ich darauf, tiefere künstlerische Werte und eine
gesellschaftliche Relevanz für das jeweilige Werk zu erreichen.
Können Sie erklären, wie Sie die Charaktere zeichnen im Vergleich zu den urbanen Landschaften und Innenräumen?
Mein favorisierter künstlerischer Stil (und auch meine künstlerische Philosophie) ist sehr einfach. In diesem Film nutze ich die kleine Aktionen und subtile Bewegungen, um die Gefühle der Figuren zu zeigen. Zusammen mit den lebendigen Landschaften und Innenräumen, in denen sich die Charaktere bewegen, entsteht die poetische – und auf eine bestimmte Weise traurige und
melancholische – ästhetische Philosophie des Films. In meinen Augen kann dieser Film im Ganzen als ein Landschaftsbild gesehen werden, welches das moderne China repräsentiert.
Welche Beziehung haben Sie zum Realismus und welche Rolle spielen die sozialen und kulturellen Dynamiken des heutigen China für Ihre Filme?
HAVE A NICE DAY ist ein Animationsfilm, aber er ist durch und durch von der Philosophie des Realismus geprägt. Der Film zeigt eine urbane Geschichte, die an den Rändern einer südchinesischen Stadt spielt. Es gibt so viele Unwägbarkeiten und Möglichkeiten, die an einem solch dynamischen und lebhaften Ort wie einem Vorort vorstellbar sind. Was Manche Surrealismus nennen, ist dort häufig die Realität und das alleine fasziniert mich ungemein. Ich mag es sehr, zu beobachten und darüber nachzudenken, wie die Menschen leben, denken und sich verhalten. Die kulturelle Landschaft der Stadtränder und die Leute, die dort leben, sind eine der Hauptinspirationsquellen für meine Arbeit. Zugleich beflügelt die Koexistenz von Realismus und Symbolismus die Fantasie
und die Absurdität dieser Charaktere und ihrer Geschichten. Im modernen China ist magischer Realismus etwas nahezu Alltägliches. Das Leben wirkt manchmal wie eine surreale Komödie, entzückend und lähmend gleichzeitig.
Sehen Sie HAVE A NICE DAY als einen Genrefilm und hat die Idee des Genres in China eine andere Bedeutung als im Westen?
Ich mag die Filmsprache des Genrefilms und die Idee von Genre hatte einen Einfluss auf mein Filmschaffen. HAVE A NICE DAY ist ein Arthouse-Animationsfilm, der ernste Themen berührt, gleichzeitig ist er eine Kombination von schwarzer Komödie, Fantasy und Kriminalgeschichte.
Ich sehe Genre als ein universelles Konzept. Egal, ob im Westen oder in China, Genre besteht aus bestimmten Parametern der Filmsprache, deshalb ist sie für mich kein geografisch spezifisches Konzept. Ich denke, es gibt gute und schlechte Genrefilme, aber ich spreche nicht von „chinesischem Genrekino“ oder westlichem Genrekino. Wenn es um Animationsfilme geht, bin ich ebenfalls sehr offen. Mein Verständnis von Animation ist sehr breit und open minded, genauso
denke ich übers Filmemachen und über Filmkunst an sich. Für mich sind die Gemeinsamkeiten zwischen Animationsfilmen und live action films wichtiger als die Unterschiede.
Gibt es Heldinnen oder Helden in HAVE A NICE DAY und wie reflektiert der Film Ihrer Meinung nach den Einfluss der rasanten Veränderungen, denen manche Teile Chinas ausgesetzt sind?
HAVE A NICE DAY ist ein Ensemblefilm ohne eine Figur, die man als Hauptprotagonisten beschreiben könnte, außer man sagt, die Tasche mit dem Geld wäre die Hauptdarstellerin des Films. Der Film spielt in einer Kleinstadt am Rand einer südchinesischen Großstadt und die Entwicklungen der rasanten Urbanisierung und Industrialisierung verändern solch einen Ort auf sichtbare, aber auch auf subtile Art und Weise. Ich bin von all diesen Veränderungen fasziniert, ebenso von den Menschen, deren Leben von dieser Dynamik berührt wird. Mein Hauptziel ist es, ihnen nahe zu bleiben, ihr Leben zu beobachten, ihre Stimmen zu hören und schließlich ihre Geschichten durch Filme zu verbreiten. Ich will ihr Glück, ihren Frust, ihre Traurigkeit, aber auch ihre Hoffnung zeigen.
- Credits
-
Regie: Liu Jian
Produktionsland: CH
Produktionsjahr: 2017
- Pressestimmen
“Als hätte Tarantino ‘Pulp Fiction’ als Animationsfilm neu gedreht.” Indiewire
“Unterhaltsame Systemkritik made in China, voll von kleinen, schwarzhumorigen Anspielungen.” Der Tagesspiegel
“Nachdenklich, intelligent und stellenweise grausam, ist ‘Have a Nice Day’ ein eiskalter Gangster-Thriller.” The New York Times
“Nach seiner bitterbösen Satire über die Folgen des Finanzcrashs überzeugt Liu Jian auch mit diesem sozialkritischen Gangsterfilm, der China als ein Land porträtiert, das auf dem Weg in die Moderne die Menschen verloren hat.” Rolling Stone
“Eine erstaunliche Leistung. Niemand macht Filme wie Liu Jian”. Irish Times
- Auszeichnungen
67. Berlinale 2017 – Wettbewerb
Monstra International Filmfestival Lissabon 2017 – Großer Preis der Jury
Fantasia Film Festival Montreal 2017 – Satoshi Kon Award: bester animierter Film
Golden Horse Film Festival Taipeh 2017 – bester animierter Film
Best. Nr.: 7047
ISBN: 978-3-8488-7047-9
EAN: 978-3-8488-7047-9
FSK: 12
Länge: 77
Bild: PAL, Farbe, 16:9
Ton: Dolby Stereo
Sprache: Deutsche Fassung und Mandarin
Untertitel: deutsche, englische, französische Untertitel
Regionalcode: codefree
Label: absolut MEDIEN
Reihe: GRANDFILM
Rubrik: Spielfilm
Genre: Animation/Trickfilm
Weitere Titel aus
unserem Programm
Bis ans Ende der Nacht
Christoph Hochhäusler
Blutsauger
Julian Radlmaier